Auf Einladung der deutschen Botschaft in Conakry reise ich im April nach Guinea und nehme als Zeichner am dortigen Comic-Festival teil. Große Vorfreude! Kurze Nachlese: Es war wahnsinnig beeindruckend. Wir haben tolle Afrikanische Comiczeichner getroffen und es sogar in die Guinueischen Nachrichten geschafft: KLICK!

Nachlese

Jungejunge. Das war mal eine beeindruckende Erfahrung!

Wir waren zu zweit aufgebrochen. Ingo Römling und ich hatten uns in Paris verabredet und wollten von dort nonstop nach Conakry, Guinea weiterfliegen.

Eigentlich.

Air France streikte aber und wir waren gezwungen eine Nacht in Paris zu verbringen. Also saßen wir in irgendwelchen Brasserien und tranken ordnungsgemäß viel Bier für ziemlich viel Geld.

Die deutsche Botschaft, deren Gäste wir waren, schlug vor, am nächsten Morgen direkt am Flughafen nach Ersatzflügen zu schauen. Gesagt, getan.

Air France buchte uns auf einen Flieger nach Ouagadougou, von dort sollte es weiter nach Conakry gehen. Burkina Faso, dessen Hauptstadt Ouagadougou ist, war dann eine ziemliche Herausforderung, erstens, weil wir durch die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes etwas verunsichert waren, wo davor gewarnt wurde, auch nur irgendeinen Teil des Landes zu bereisen. Und zweitens, weil überall finster dreinblickende Militärs herumstanden, die nicht so aussahen, als würden Sie einen kleinen Scherz besonders schätzten. Wir versuchten es erst gar nicht mit Humor.

Drittens, und das ist eine Erfahrung, die ich genau da zum ersten Mal in meinem Leben gemacht habe: Wir waren eine Minderheit wegen unserer Hautfarbe. Wir fielen auf! Ingo und ich waren die einzigen Hellhäutigen weit und breit.

Wir füllten dort irgendwelche Formulare in mehrfacher Ausführung aus, bekamen einen Stempel in die Reisepässe und begaben uns in einen sicherheitsbereich, der mit Kordeln vom Rest des Terminals abgesperrt war. Und warteten. Stundenlang. Jemand kam mit einer Plastiktüte voller in Stanniol eingepacktem Irgendwas und verteilte es. Mit dem Fuß schob er eine Kiste Bier vor sich her, aus der man sich bedienen durfte.

Es war mitten in der Nacht und brüllendheiß. Und es roch nach Feuer. Überall.

Irgendwann kam ein Flugzeug und wir flogen weiter nach Guinea.

Im Vergleich zum Flughafen in Burkina Faso, der ungefähr die Ausstrahlung eines DDR-Kleinstadtbahnhofs direkt nach der Wende hatte, wirkte der in Conakry vergleichsweise modern.

Nachdem wir die Formalitäten erledigt hatten, wurden wir direkt von der deutschen Botschaft in Empfang genommen, stiegen in einen weißen Geländewagen mit Deutschlandfähnchen und fuhren durch Wellblechhütten und am Straßenrand an Feuern kauernden Einheimischen, auf roten Pisten, in Richtung Hotel. Die rote Farbe kannte ich schon aus dem Flugzeugfenster, als wir die Sahara überflogen. Rote Dünen bis zum Horizont …

Unterwegs passierten wir noch eine Straßensperre – Militär – die Soldaten wollten Geld. Bekamen sie aber nicht. Unser Fahrer machte ihnen das relativ autoritär klar.

Im Hotel waren wir froh. Ingo, als er endlich ein Zimmer mit funktionierender Klimaanlage ergattern konnte, und ich, dass ich den Bohrhammer des Arbeiters aus dem Foyer nicht, wie befürchtet, im Zimmer hören musste. Es war 5 Uhr. Um 9 ging es zur Buchmesse.

Beim Frühstück lernten wir bereits die ersten Afrikanischen Zeichnerkollegen kennen, zusammen fuhren wir anschießend durch die lebhafte Stadt und den wahnsinnigen Straßenverkehr zum Messegelände. Das komplette Leben findet in der Stadt auf der Straße statt, alles ist sehr lebendig und laut, viel wirkt improvisiert aber selbstverständlich. Und es gibt wahnsinnige Armut, wie ich sie bis dahin nicht gesehen habe. Ich war die ganze Zeit euphorisch erfreut oder eingeschüchtert erschüttert oder beides. Eins war sofort klar: Hier ist alles anders.

Der Comicbereich war draußen, direkt vor der Halle in zwei großen Pavillons, wo wir uns in den nächsten Tagen viel aufhielten und zeichneten, Interviews gaben und die Afrikaner kennenlernten. Dort trafen wir auch zum ersten Mal auf HC Buch, der ebenfalls Gast der deutsche Botschaft war und Deutschland in Conakry als Autor vertrat. HC Buch war wahnsinnig interessiert an den Comics und begeistert von den Möglichkeiten. Comic nimmt in Guinea in der Kommunikation eine große Rolle ein. Viele Menschen können nicht oder nur schlecht lesen, Fernseher sind für Viele zu teuer. Es bleibt also das Radio, oder eben Comics … Die deutsche Botschaft hat das erkannt und beauftragt einheimische Zeichner mit Aufklärungscomics: Schlepperbanden erzählen den Menschen dort, dass sie mit Reichtümern überhäuft werden, wenn sie es nach Europa schaffen. Der Weg dorthin sei ungefährlich, ein Spaziergang. Comics sollen darüber aufklären, wie gefährlich es ist und was die Flüchtlinge wirklich erwartet.

HC Buch jedenfalls war so begeistert von den Möglichkeiten des Comics, dass er meinte, er wäre doch lieber Comiczeichner geworden als Autor.

Ich habe mir dort viele Comics der Kollegen aus Afrika angesehen, es waren Zeichner aus der Elfenbeinküste, Togo, dem Senegal und natürlich Guinea vor Ort. Und eins war allem gemein: Kein Comic diente allein der Unterhaltung, es ging immer ums Eingemachte, um existenzielle Themen, um alltägliche, afrikanische Probleme. Das hat geerdet, nun stand ich da mit meinen mitteleuropäischen Luxusproblemen und meiner Krimiunterhaltung, zwischen Menschen, die sich manchmal entscheiden müssen, ob sie Schulbücher für ihre Kinder kaufen und dafür zwei Monate hungern. Das ist hart. Und irgendwie auch beschämend.

Am zweiten Tag besuchten wir ein Kulturzentrum, hörten Vorträge der Kollegen und steuerten jeweils einen kleinen Workshop bei. Ingo zeigte, wie er Characterzeichnungen angeht und ich gab einen Aquarell-Miniworkshop. Das Material dafür hatten wir mitgebracht, es ist in Guinea sehr schwer, überhaupt an Künstlerbedarf zu kommen. Entsprechend groß war die Freude darüber, dass wir für jeden einen kleinen Aquarellkasten, ein Skizzenbuch und ein paar Pinsel und Bleistifte mitbrachten. Auch wieder so etwas, dass bei uns so selbstverständlich ist: Wenn du was brauchst, gehst du los und kannst es dir kaufen. Geld nützt gar nichts, wenn es gar nichts gibt.

Am letzten Tag organisierten die Afrikaner einen Ausflug auf eine der Haupstatsadt vorgelagerten Insel. Um an den Hafen zu gelangen, mussten wir einen Markt durchqueren, und allein das war eine wahnsinnige Erfahrung, die vielen Farben, die Lebendigkeit, der Trubel, die Rufe der Menschen, die Gerüche, die Waren, die Stände … Wow!

Auf der Insel lebten nur ein paar Fischer und deren Familien. Wir fielen natürlich wieder, wie überall, auf und wurden von einer Schar Kinder verfolgt, die sich einen Spaß erlaubten und Lieder über uns sangen. Sehr niedlich! Alpha, so hieß unser Übersetzer, der uns die ganze Zeit zur Seite stand, konnte auch Stammessprachen übersetzen. Also wussten wir, dass sie irgendetwas von Weißen in Flugzeugen aus Europa sangen. 🙂 „Futeh“ heißt Weiße, glaube ich.

Wir überquerten eine Hügelkette, gingen durch verwilderte Wälder einen Hang hinab und standen unvermittelt an einem wahnsinnig schönen Strand! Und waren dort ganz allein! Keine Touristen, nichts. Dort suchten wir uns einen schönen Platz und aßen Mangos und tranken Limonade, gingen baden, tanzten zu Trommeln und Gesang, und unterhielten uns.

HC Buch erzählte aus seinem Leben, dass er schon jedes einzelne Land in Afrika besucht hat und was er als Journalist in den Krisengebieten erlebt hat und erleben musste. Er berichtete unter Anderem davon, wie er in Ruanda hilflos Massenerschießungen miterleben musste. Das war so wahnsinnig weit weg von allem, was ich bislang erlebt hatte, dass ich nur schweigend zuhörte.

Abends war keine Zeit mehr, noch ins Hotel zu fahren, also hatte die Botschaft unseren Krempel abgeholt und in die Residenz des Botschafters bringen lassen. Es gab einen Empfang für die Teilnehmer, leckeres Essen und Bier. Wir saßen im Garten unter Bananenstauden und ließen die Reise Revue passieren.

Das war eine beeindruckende Erfahrung, Tage, die wirkten wie Wochen …